Donnerstag, 13. September 2018


Gerda Boyesen 1990


Das "orgonomische Videoarchiv" wurde 1988 in Berlin gegründet. Ermöglicht hatte das der Aufschwung in der Camcorder -Technik in der Aufzeichnung. Ähnlich wie bei den Walkmen wurde es auf einmal möglich alles in allem, also nur eine Kamera mit Aufzeichnung zusammen, leicht auf der Schulter zu tragen.
1988 zog der Chip ein, der die Röhre ersetzte. Die Nachbilder der Röhre verschwanden und alles wurde scharf und klar. Panasonic bot eine kleine S-VHS-Kamera (MS 1) an, die wir jetzt zusätzlich zur großen JVC K Y15 hatten. Mit der autonomen MS 1 drehten wir "Rain in the desert".
All das jetzt machte es möglich leichter Aufnahmen zu machen, sie zu schneiden und auf Kassette (180) Minuten zu bannen. Sozusagen eine praktische MAZ für jedermann.  Ebenso wie das Tonband zur Kassette wurde, wurde das Videoband zur Videokassette. Wir hatten Konverter von Panasonic (NV-W1) für PAL, NTSC, Secam, Messecam, M-Pal, N-Pal. Das war wichtig vor allem für die USA. Wir konnten die amerikanischen Videokassetten von NTSC (never the same colour) auf PAL übertragen. Wir waren dadurch international. Wir glaubten damals noch an den gemeinsamen Willen Videoinformation für jedermann zugänglich zu machen. Doch dann merkten wir, dass vor allem die Amerikaner daran gar nicht interessiert waren. Wir waren halt noch wie Kinder, voller Gottvertrauen und das mit fast 40 Jahren, obwohl wir einiges an harten Dingen bereits hinter uns hatten.

Heute ist es einfach Aufzeichnungen zu machen. Es gab bald einen kleinen Hand-Camcorder mit Miniband wie den Panasonic NV-DS 60 (90 Minuten) oder noch kleinere für die Handtasche und letztlich braucht man heute dazu nur ein Handy und vielleicht ein Stativ. Damals war das noch etwas Pionierarbeit. Eine Arbeit für Privatpersonen außerhalb der Fernsehsender, die üblicherweise fernab von Film mit einem Magnetband arbeiteten.

Heue arbeitet man gar nicht mehr mit Magnetbändern.
Heute geht direkt alles auf einen elektronischen digitalen chip und über einen Stick werden die "Filme" direkt auf das Internet geladen. PCs sind mit einfachen Programmen dazu in der Lage. Damit sind die Medien für jeden offen. Jeder hat einen Laptop und ein Handy.

Alles ist dann nur eine Frage des Öffentlichkeitswillens. Wer will was zeigen und durch das Internet verbreiten. Inzwischen gibt es die nötigen Netzwerke dazu. Das gab es natürlich 1988 nicht.

Zurück zu der Geschichte:
Zuerst nahmen wir Referenten in der FHW (Fachhochschule für Wirtschaft, Berlin) auf, einem Treffpunkt Reichianischer Referenten. Obwohl hier ein soziologisch veralteter Reich gelehrt wurde, gab es doch Referate über den Orgonakkumulator, Cloudbusting, Orgonchemie fehlte allerdings, und ebenfalls fehlte natürlich im Besonderen die Arbeitsdemokratie, die durch Reich selbst seine frühere  veraltete Anschauung über Politik ablöste. 

Arbeitsdemokratie, die Lösung aller Dinge als biosoziale Funktion, von Reich entdeckt. Also insgesamt kein runder und insbesondere authentischer Reich in der FHW. Das ganze sollte eh nur politisch sein. Schnell war ich als Arbeitsdemokrat in der FHW als Konterevolutionär gebrandmarkt. Ich hatte die emotionelle Pest im Nacken. Ich wurde zu Treffen nicht mehr eingeladen, man umging mich. Ein amerikanischer Referent sagte einmal dazu:" der John, der macht hier die ganze Arbeit, aber sie wollen ihn nicht". Ein Reichianischer westdeutscher Psychologe, der gerade seine Diplomarbeit über Reich veröffentlicht hatte kommentierte "It´s true, it´s true" (das habe ich auf Videoband !). Die betreffenden Personen wissen selber wer sie sind. Natürlich machte ich nicht allein die ganze Arbeit, sondern nur einen abgesteckten, aber wichtigen Anteil. Aber die Aussage ist stellvertretend, für das was stattfand.

Ein Berliner Arzt stellte Bionenforschung vor und medizinische Behandlung mit Orgon. Die Vorträge sind für mich immer noch die Highlights dieser Öffentlichkeitsarbeit ( Videoarchiv FHW Band 7 und 11), auch wenn die Farbe in den Videoabspielungen (vorsätzlich) fehlte. Nicht durch uns. Diese wertvolle Repräsentation konnten wir sichern. Wir nahmen sie nicht nur in der FHW auf, da diese beiden Veranstaltungen auch woanderwerts gelehrt wurden.
Aber Star dieser Serie war die Reichtochter Dr. med. Eva Reich, die oftmals in Berlin war und die ich zuletzt in 4 plus 1 Workshops aufzeichnete. (Der eine Workshop war für Frauen und Geburt). Es gab aber noch mehr, 3 Vorträge über Geburt, Ökologie, Biographisches zu Wilhelm Reich und einen Besuch bei mir zur Durchsicht von Mikroskopie. Eva ging immer in meinen Orgonakkumulator.

1988 kamen wir mit Digne Meller Marcovicz in Kontakt und konzipierten eine biographische Videoreise durch die USA. Die Frage: "Wie lebten die damaligen Reichianer sexuell"
Wir tourten durch die USA und interviewten alle noch lebenden Reichzeugen. In Philadelphia lebten allein in einer Strasse drei Orgontherapeuten, die sich seit Reichs Tod nie wieder gesehen hatten. Einer davon war Morton Herskowitz. Er gab uns die Nummer von Dr. Oller (selbe Strasse), der gerade dabei war ins Krankenhaus zu gehen. Es gab ein kurzes Telefonat und wir telefonierten mit ihm aus der Praxis von Mort (wie wir Morton H. später scherzhafter Weise nannten). Kurze Zeit später verstarb Oller, ohne daß wir ihn interviewen konnten. Tom Ross hatte wohl vom  Reichmuseum die Anweisung bekommen offiziell nichts mehr zu sagen. Er redete aber wie ein Wasserfall, aber auf die Frage ob wir drehen durften reagierte er nicht. Er sagte aber auch nicht, dass wir nicht drehen durften. So hielten wir die Kamera im Arm und drückten auf Record.

Also in Amerika war es manchmal alles nicht so einfach. Gerade Ilse war da sehr entgegenkommend und nett. Nette Augen, freundliche Art.
Es war gerade Ilse Ollendorf, die uns darauf aufmerksam machte, das in Europa noch viele Reichschüler zu finden waren. Es gab quasi eine Brücke nach Europa zurück. Gertrud Gasland war Reich Laborantin in Oslo. Sie kam vor Reich in Amerika an. Danach hatte diesen Posten Ilse und später übernahm Penny Caccavo, die Tochter von Jo Jenks, diesen Job. Auch mit ihr gab es ein Interview. Penny stand nicht auf Dignes Liste.

Die Idee Reichschüler in Amerika zu interviewen wurde finanziert, doch danach gab es kein Geld mehr für eine Fortsetzung zu einer Skandinavienreise. Das hätte sich sicherlich gelohnt, aber jetzt nach 30 Jahren ist alles  sowieso zu spät, weil nämlich alle tot sind. TOT! So ist das. Digne wollte nur einen oberflächlichen Film machen über Wilhelm Reich, einer unter ihren unbedeutenden Experimentalfilmen, besser Off-Filme. Ihr Material hätte aber anders positioniert mehr Einsicht in Wertvolles gegeben, denn sie war in Skandinavien, doch ihre Filme wurden nicht öffentlich gemacht. Nach 30 Jahren mangelnder Unterstützung versuche ich noch zu retten was zu retten ist. Aber vielleicht interessiert es ja auch niemanden und so wird es in Zukunft nur Buchstaben, Wörter und schwarz-weiße Fotos geben, das Leben, das muss draußen bleiben. Alles blowing in the wind.

Gerda, aus Skandinavien bekamen wir in Berlin vor die Kamera, quasi geschenkt. Wir hatten einen norwegischen Übersetzer, einen englischen Übersetzer (Jürgen Wellhausen, mein geschätzter Fotograf), aber letztlich wurde das Gespräch wieder in deutsch geführt und zwar von mir. Und alles in Allem- endlich hat mal wieder was geklappt, weil es gut vorbereitet war. Der Film ist das Original. Eigentlich sollte es geschnitten werden. Aber wegen des Verlustes, besonders in der Farbe beließ ich es bei der ursprünglichen Aufnahme. Ohne Schnitt ergaben sich daraus einige komische Situationen. Zur damaligen Zeit war ich neben der Produktion von Orgonakkumulatoren Leiter des Orgonomischen Videoarchiv und Redaktionsmitglied der Berliner Reichzeitung EMOTION, die über das Video-Archiv berichtete.

Gerda Boyesen
Jahrgang 1922, wurde auf Reich 1947 zum ersten Mal aufmerksam. Über Umwegen kam sie zu Ola Raknes (1887-1975), einem Orgontherapeut und sehr geschätzten Mitarbeiter Wilhelm Reichs. Trotzdem gingen alle weichen(besser aufgeweichten) Therapien auf Raknes zurück. Er ist die weiche Stelle im harten Kern. Er traf Reich 1946 und war damals mit 62 Jahren möglicherweise schon zu alt für die Sexualökonomie. Vielleicht hat er selber sie nicht richtig, bzw. nur akademisch verstanden. Das heißt nicht, dass er nicht ein guter Therapeut war.
Gerda kommt aus Bergen, Ola auch. Sie studierte zunächst Psychologie und Physiotherapie.
 
Später begründete sie die Biodynamische Therapie.
Sie ging nach London, lehrte und praktizierte dort, bekam 3 Kinder, die alle in ihrer "Firma" arbeiteten. Auf Gerda geht das "Abgurgeln", eine vermehrte peristaltische Bewegung zurück, die Spannungen auflöst. Eva Reich demonstrierte die Bewegung oft durch ein Stethoskop, verbunden mit einem elektrischen Verstärker und Lautsprecher.

Ich muss aber dazu sagen dass das Phänomen auch wie viele wissen im Orgonakkumulator auftritt, kurze Zeit nach dem man sich hineingesetzt hat, ohne das man irgendetwas tut. Jeder Orgontheoretiker weiß, was das praktisch bedeutet. 

Wie dem auch sei. Ich fand Gerda sehr sympathisch und belebend. Ihr gelbes Kleid blieb mir immer in Erinnerung. Sie starb 2005 im Alter von 88 Jahren. Beim Interview hätte ich sie für viel jünger eingeschätzt als 68. Irgendwann verloren die Boyesen das Interesse an Eva Reich und holten sie zuletzt nicht einmal am Flughafen in London ab. Darüber war Eva so verärgert, dass sie nie wieder zu den Boyesen fuhr.

Ich habe gehört, das eins oder auch mehrere Kinder von der Bioenergetik zu einem spirituellen System übergewechselt sind, einer bioenergetischen Spiritualität. Aber vielleicht sind das auch nur Gerüchte.

Auch Al Lowen sagte, als er über seinen Kollegen Pierrakos sprach: was ist grundlegender, Wurzeln oder Blätter? Das war eine Kritik an Pierrakos der durch seine Frau immer mehr in eine spirituelle Interpretation übergegangen war.
Später, als Al in Berlin war ging er selber zur Spiritualität als Ursprung über.
Im Laufe der Zeit änderten sich die Präferenzen. Wer mithalten will kommt daran wohl nicht vorbei. John - 21.9.2018

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