Donnerstag, 13. September 2018


Ilse Ollendorf

 
30 Jahre und 3 Monate ist es her, dass ich Ilse Ollendorf in Amerika besuchte. Sie war damals bereits 80 Jahre alt und verstarb 2008.
 
Warum habe ich solange gezögert dieses Interview zu veröffentlichen? Nun, wir das "Orgonomische Videoarchiv" (heute eine Abteilung des Wilhelm Reich OrgonInstitut Deutschland") haben 1989 eine Reise durch die USA gemacht um noch lebende Reichzeugen mit der Kamera zu interviewen. Es waren 25 Personen, eine davon war Ilse Ollendorf. Das Interview war ein sehr heikles Interview, bei dem Reich nicht so gut wegkam und deshalb wäre es das letzte Interview gewesen, das ich veröffentlichen wollte. Es hätte Reichs Arbeiten in ein falsches Licht gestellt. Genie und Mensch ist leider nicht immer eine Einheit, selbst wenn, wie im Fall von Reich, er selber Psychiater war. Das Werk geht vor- das ist auch meine Meinung, und was Ilse erzählte habe ich mir nicht so gerne angehört, dazu später mehr.
Außerdem hatten wir gehofft einen Investor für diesen Film "American Interviews" zu finden. Aber niemand war interessiert. Auch nicht Fernsehsender, und ich hab sie wohl alle angeschrieben. Sie lehnten ab, oder schrieben erst gar nicht zurück. So blieb jetzt nur noch das Internet.- Da ich zur Zeit verschiedene Langfilme (bis 4 Stunden) von mir auf das Internet lade, bot es sich an zwei Videos aus der Serie Amerika aufs Internet zu bringen.
Das 1. war" Cloudbusting-Rain in the desert", 
das 2. Ilse Ollendorf-Reich.
 
Das Ollendorf-Video bot sich zudem an, weil es das  einzigste Interview war, das in deutsch geführt wurde und zwar von mir.
Es passte also zur Serie meiner Langzeitvideos auf youtube, bzw. Dzogorg blog.
 
Zur Vorgeschichte:

Ende der 80er Jahre machte die Spiegelfotografin Digne Meller- Marcovicz einen Film über Wilhelm Reich, der großteils ebenfalls auf Interviews aus Amerika basierte. Auch deutsche Reichianer kamen zur Sprache. An einem Samstag war ihr das Videomaterial ausgegangen und so zeichnete sie mich auf VHS pro auf. Später erachtete sie das Videomaterial als zu schlecht und schnitt mich raus. So erschien ich nur in der Begleitbroschüre zum Film.
Es sollte damals ein Haus in Berlin bezogen werden, dass der Universität zuvor gehörte und das jetzt ein Wilhelm Reich Institut werden sollte.- Digne interviewte den Institutsleiter mit seiner Freundin und auch ich war dazu auf Druck von Digne eingeladen. Digne fragte den Institutsleiter und seine Freundin, ob sie auch Kinder haben wollten und so einen Quatsch. Ich stand da zusammen mit den Beiden, Digne interviewte sie und neben uns stand der Tonmann mit Kopfhörer und dem Mikrofongalgen, Digne mit der Kamera als Interviewer. Das Haus war noch geschlossen. Wir mußten also alle auf dem Rasen stehen, bzw. sitzen. So kam ich in Kontakt mit Digne.
Der Glaube es gäbe jetzt ein Institut an dem man auch arbeiten konnte erwies sich als falsch und führte dazu, dass ich später mein eigenes Reich- Institut gründete, das gerade noch rechtzeitig kam, die Orgonomie in Deutschland zu retten.

Mein Interesse im Geheimen war es schon immer Reich lebendig darstellen zu können, also in bewegten Bildern.
1988 fing diese Arbeit tatsächlich an. Die FHW in Berlin gab uns eine gute Möglichkeit. Internationale Stars kamen, wie Eva Reich und Myron Sharaf, beide originale Reichmitarbeiter.
 
Wir interessierten uns nicht nur für den Film von Digne, sondern vor allem für die Langzeitinterviews von ihr.
Sie bot uns an die uns in Italien zu zeigen, wo sie ein Haus in den Bergen hatte.
Angekommen war sie nicht bereit uns was zu zeigen, sie sagte immer "Vielleicht Morgen". Nach einer Woche reisten wir ab, sie hatte uns nichts gezeigt, außer sich selbst als Diva. Ihre Frage, ob sie nicht psychisch eine sehr gesunde Frau wäre, war nur noch peinlich.
Nach einer Woche reisten wir ab, ohne dass sie uns einen Meter gezeigt hatte. Sie wollte nur Gesellschaft und bewundert werden.
 
So konzipierten wir auf einem Parkplatz, als wir das Geschehen noch mal durchgingen, die Idee, die Amerikareise zu wiederholen und alle noch einmal zu interviewen, was wir auch tatsächlich taten!
 
Später traf ich Digne bei einer Veranstaltung der Grünen im Bundestag und da ich mich noch mal über Italien beschwerte, gestand sie mir frecherweise, dass sie das Material überhaupt nicht in ihrem Haus gehabt hätte. Ganz schöne Verarschung. Auch Digne ist mittlerweile tot. Das Material verschwunden, nirgendwo gelistet.
 
Eva Reich wollte, dass ein Reichianischer Arzt in Berlin in seinem Haus einen Tresor baute um dort mindestens ihre Videos (die wir aus USA mitbrachten) zu archivieren. Eva wohnte in einem Holzhaus in Maine. Ein Streichholz und die Bude wäre abgefackelt gewesen. Und jetzt wurde ein Vertrag aufgesetzt der den Arzt verpflichtete den Tresor in seinem Reich-Institut zu bauen.
 
Er versuchte sich mit Evas Hilfe als Reichnachfolger zu installieren, was allgemein viel Ärger mit sich brachte. Mit der 95er Mai-Erklärung (1995) wurden alle Reichianer in Deutschland ausgegrenzt, die anderer Meinung waren, wie beispielsweise ich, der auch die Leugnung der Pulsation und die Behauptung biologische Präparate müßten in s/w gezeigt werden, nicht teilen wollte. Orgon sollte angeblich nicht blau sein, (Licht) Refraktionsthese. Er behauptete immer er hätte ein Papier von Eva Reich dazu, was keiner glaubte. Doch nach seinem Tod kam heraus dass das doch tatsächlich stimmte! Eva Reich distanzierte sich aber davon. Da sie 1959 das Erbe an Mary Boyd Higgins (eine Freundin) abgab, war sie nicht mehr der amtierende Erbe. Sie hatte quasi nichts zu sagen und das schrieb sie in einem Brief an die Deutschen. Sie hätte sich gerne eine Schirmorganisation gewünscht, unter der alle Platz hätten, nicht einen bestimmenden Nachfolger, den sie aus der rechtlich Lage gar nicht bestimmen konnte. Sie hatte quasi nichts mehr zu sagen und das sagte sie auch ganz deutlich. Alles war nur ihre eigene persönliche Meinung. 

Eva war arm, man hatte ihr in USA die Approbation entzogen und in Deutschland wuchs das Geld auf den Bäumen. Man kennt das vom Dalai Lama, der gegen ein Entgeld auch überall ein Vorwort schreibt. Aber eigentlich weiß ich nichts darüber. Aber ich kann es mir kaum vorstellen, dass 1985 beim ersten Besuch von Eva gleich eine solche Verfügung aufgesetzt wurde, nur aus Sympathie. Dieses damals entstandene Bild revidierte sie später in einem Gespräch bei mir in der Müllerstraße (Müllerstraßengemeinschaft).
Also Eva war keine Reich-Erbin mehr, sondern eine sehr kompetente Privatperson. Wie dem auch sei.
 
Dass das mitgebrachte Videomaterial in einem Tresor deponiert wurde geschah nie, der Tresor selber wurde auch nie gebaut. Die Bänder von Eva standen jahrelang im Flur (ich erkannte meine Handschrift) und auch dieser Mann ist inzwischen tot, sein Haus bereits vor seinem Tod verkauft. Auf jeden Fall, auch da ging das Gerücht, die Videos von Digne würden bestimmt einmal dort archiviert werden. Sie sind heute nirgends gelistet. Niemand weiß wer sie besitzt oder ob jemand sie weggeworfen hat. Vielleicht sind sie verloren.
 
Wir als ehemalige Kommunarden hatten eine wichtige Frage: WIE LEBTEN DIE MITARBEITER REICHS SEXUELL, frei oder konventionell? Gab es auch bei Reich die sexuelle Revolution? Das war letztlich der Grund warum wir nach Amerika fahren wollten.
 
Wir schrieben viele amerikanische Schüler an. Die meisten sagten zu, außer zwei und Miss Higgins wollten sich nicht interviewen lassen. 
 
Chester M. Raphael machte sein Spiel mit uns. Da er mit dem Museum eng verbunden war, schrieben wir ihn über das Museum und direkt in Forest Hill, seinem Haus an. Er behauptete beide Briefe nicht bekommen zu haben. Doch aus seinen Antworten wussten wir, dass das nicht stimmen konnte. Wir fuhren nach New York und steckten ihm einen weiteren Brief (den selben) in seinen Briefkasten. Am nächsten Tag konnten wir die Antwort telefonisch abrufen. Sie hiess: wie er vermutete wollten wir nur nehmen, nichts geben. Er lehnte ab. 

Lois Wywell sagte, sie hätte alles in ihrem Buch geschrieben, nichts zu sagen und wir sollten endlich den Hörer aufhängen. Das ging eine ganze Zeit. Sie hängte nicht auf. Miss Higgins war von Dignes Film enttäuscht, wollte nicht mehr interviewt werden. Die Idee Reich von A-Z von Eva erzählen zu lassen lehnte Eva ab. Wir filmten gar nicht bei ihr, nur in Berlin und das ausgiebig, 3 Vorträge, 4 Workshops. Eva wollte immer nur was mit Frauen machen.
 
Zum ersten mal hörte ich von meinem Therapeuten Walter Hoppe über Ilse Ollendorf. Er fragte mich ob ich ihr Buch gelesen hätte und bemerkte dann, dass alle negativen Kritiken von Ilse Ollendorf`s Buch ausgingen und alle Kritiker sich auf sie beriefen.
 
Zum Interview:

Ilse Ollendorf war sehr freundlich, aber etwas konventionell reserviert.
Über die Wissenschaft von Reich konnte sie sich nicht ausdrücken, nur beschreiben. Es gab keine Leistung von Reich, die sie loben konnte.
Sie liebte die Mikroskopie, die lebendigen Amöben, aber den Sinn dieser Arbeit konnte sie nicht beschreiben.
Sie glaubte sogar, dass Reichs Arbeiten bezüglich der Orgonomie überholt wären. Auch hier ging es nur um die Technik, die ja nicht der Sinn sondern nur die Methode war. Elektronenmikroskopie zeigt zwar Objekte erheblich schärfer und detaillierter, aber nur in totem Zustand, geätzt und mit Metall bedampft.
Über den Sinn der Bione wußte sie nichts zu berichten. Über den Nutzen des Orgonakkumulators -nichts. Sie redete viel über administrative Dinge.
 
Sie lerne Reich 1939 in New York kennen. Sie war befreundet mit Gertrud Gasland, der Laborantin Reichs in Skandinavien. Dort wurden auch die "Experimente zu Lust und Angst" mit dem Millivoltmeter gemacht, zu dessen Probanten auch Willie Brandt gehörte.
Entscheidend war, dass Brandt wie Ilse und viele andere Mitglieder der SAP waren, eine linke Abspaltung der SPD.
Reich hatte zu dieser Zeit mit jeglicher Art von Politik gebrochen, er hatte die Arbeitsdemokratie als biologisch angeboren entdeckt.

Hier gab es den Konflikt zwischen Politik und Arbeitsdemokratie. Die politischen Kommunisten waren für Reich Verbrecher, die das Volk belogen und zum eigenen Zweck ausbeuten wollten. Meine Meinung ist: Wenn man sich nicht von der Politik gelöst hat, ist man innerlich immer politisch eingestellt, und möglicherweise ist die Arbeitsdemokratie der Feind. Aber Ilse schimpfte nicht über die Arbeitsdemokratie. Ihre Freunde waren politisch.

Und jetzt: Wie war die Reichsche Soziologie? 

Reich verbot ihr den Kontakt. Er isolierte sie von den politischen Freunden. Ilse sagte Reich konnte man nicht widersprechen. Mit Sicherheit litt Ilse darunter sehr.
Auf der anderen Seite hatte Reich mehrere sexuelle Kontakte, die Ilse dulden musste. Über das was nicht im Interview auftauchte: Reich hatte ein Verhältnis mit der Freundin von Myron Sharaf (sein Biograph), worunter dieser sehr litt.
 
Auf der anderen Seite gab es eine Pathologie. Reich war chronisch eifersüchtig, auch da wo es gar keine sexuellen Kontakte gab. (Reichs Lehrer ging mit seiner Mutter fremd. Als Wilhelm den Vater darüber informierte brachte die Mutter sich um, der Vater erkrankte anschließend und verstarb nach kurzer Zeit).
 
Soweit zur Reichianischen Soziologie. Es gab dort nicht die Emanzipation wie in den Kommunen. Es gab also einen sexuellen weitgehend enthemmten Reich in einer prüden Moral, die Reich nicht sprengte. So war alles eigentlich so, wie vor der Emanzipation der 68ger.
 
Die Reichianer lebten sexuell nicht frei. Außerdem forderte Reich Gehorsam, das der Arbeit dienen sollte. Was Ilse nicht sagte: Wolfe, der Arzt, der Reich in die USA holte und der seine Bücher übersetzte (manchmal saßen sie einen ganzen Tag über einen Satz, der es bringen sollte), ging nach der Trennung von Reich nach Arizona und trank sich zu Tode. Vorher verlangte Reich noch von Wolfe, dass er sich von Jo Jenks (seiner Beziehung) trennte, weil Reich ihn enorm wichtig fand. Auf ihn wollte er auf keinen Fall verzichten. Er befahl Jo sich von Wolfe zu trennen. Sie traf ihn dann noch mal in einem Restaurant und teilte ihm Reichs Entscheidung mit und sah ihn dann nach eigenen Worten nie mehr.
 
Ilse sagte: Reich wollte, dass Wolfe ein ganzer Orgonom war, aber Wolfe war nur ein sehr guter Therapeut und wollte auch nichts anderes sein. Dass Reich sogar der Meinung war, er dürfte mit Jo Jenks (die Frau die Reichs Büste machte) keine Familie gründen, weil dass zuviel Zeit wegnahm ist ungeheuer autoritär, nicht selbstreguliert. Reich selbst hatte eine Familie in USA gegründet. Ilse sagte über Wolfe nur, er wäre eben kein Creator gewiesen. 

Nicht die schlimmen Sachen, die kamen von anderen Interviewpartnern. Wir besuchten auch viele, die nicht auf Dignes Liste standen, z.B. Jo Jenks Tochter Penny. Sie übernahm Ilses Mikroskoparbeit. Penny und ihr Mann Emil wurden von Reich so zur Sau gemacht, so dass Penny oftmals beim Interview weinte.
 
Einmal schlecht gelaunt feuerte Reich Penny, als sie einmal unverschuldet zu spät zur Arbeit kam. Emil holte er einmal in eine Runde seiner Ärzte und sagte sinngemäß: Hier können sie einmal ein Exemplar der emotionellen Pest begutachten. Emil sagte: ich dachte immer Reich wäre der Psychiater, der mich verstehen müsste und nicht ich ihn.
Aber tatsächlich als ich Penny interviewen wollte kam Emil mit einem Tennisschläger, stellte mir tausend Fragen in einer unangenehm nachbohrenden Weise, dass ich selber sagte, wenn der nicht gleich aufhört, gehen wir. Der ist ja total pestig. Doch nach der Anfangsinszenierung wurde Emil auf einmal sehr freundlich, einladend und ich hatte viel Spaß mit ihm.

Ihn wollte man ja eigentlich gar nicht interviewen, doch das Interview war eins der interessantesten der Tour. Emil war ein temperamentvoller Italiener.
Er wollte sich natürlich nicht von Reich therapieren lassen. Er fragte bei Al Lowen an, aber Reich schrieb ein Telex an Lowen und verbot ihm Emil zu behandeln. Was ist das denn? Man wird doch wohl einen Therapeuten aufsuchen dürfen. Dafür ist der Orgontherapeut doch da.
 
Emil organisierte das erste Kindercamp nahe Orgonon, indem Kinder frei miteinander leben konnten. Peter (Reich) war auch da.
Neben der Laborarbeit versorgte Penny auch den kleinen Peter. Sie war also Ilse sehr nahe. Doch all diese negativen Dinge erwähnte Ilse nicht. Das heisst sie zog nicht über andere her und ich wollte auch nicht in sie dringen.

Sie konnte sich aber nicht über Reich beruhigen. Der war fremdgegangen, gab ihr kaum Geld und nur 400 Dollar, als sie ihn verließ und er hatte sie von Freunden und SAP-Emigranten getrennt.

All das erinnerte mich an die Müllerstraße in Berlin als ich auch viel alleine machen mußte. Mit der Kamera, den Stativen, 2 Koffern in den 3.Stock der FHW, ohne Aufzug und vor allem man kriegte an der FHW keinen Parkplatz. Und dann sollte man auch noch pünktlich anfangen zu drehen. Man sagte mir nach, ich hätte dann immer so geschrien, dass man das in allen 3 Häusern der Müllerstraße hörte. Daher weiß ich unter welchem Stress man steht, wenn etwas Schwieriges gelingen soll. Viele haben mich in dieser Zeit gehasst und ich versteh auch warum. Aber bei allen Sachen gibt es "ein zu weit". Dieses „zu weit“ wurde anscheinend bei Reich Dauerzustand, das Trinken kam hinzu.
 
Wenn Reich wütend war bekam er einen puterroten Kopf und er schrie schrecklich laut. Es war die Zeit, als Behörden nicht auf seine Ufo-Sichtungen reagierten. Cott hielt ihn für verrückt und sagte das auch vor Gericht. Der Richter nahm Ilse zur Seite und fragte ob man Reich nicht für nicht zurechnungsfähig erklären sollte.
 
Das kam nicht von Ilse, vielleicht von denen die nicht an Orgon glaubten und an den anderen Quatsch schon gar nicht. Ilse erzählte, dass das FBI andauernd an ihren Fersen hing. 

Im Gegensatz zu Silvert (Arzt und enger Mitarbeiter Reichs, Extremist) war Cott sehr seriös und realistisch. Er lebte 1989 in New York in der 5th Avenue. Auch ihn trafen wir. Er sagte er hätte aus irgendwelchen Gründen gerade die Causa Reich noch mal durchgegangen und Kommentare geschrieben. Aber ich will jetzt nicht ins Detail gehen.
 
Ilse war gelernte Buchhalterin und ich weiß nicht wer hat mir gesagt, das Reich gerade so etwas brauchte, einen Organisator. Ilse war da goldrichtig. Aber ich glaube sie verstand von Reichs Arbeit nicht so viel. Das Feuer fehlte da. Auch als Reich in die Wüste zum Cloudbusting ging konnte Ilse nichts damit anfangen. Sie war halt eine bodenständige Frau. Ich erlebte sie als sehr warmherzig und ich glaube, dass sie im Grunde eine sehr emotionale Frau war.
 
Ilse wäre sehr daran interessiert gewesen, dass ihr Interview noch zu Lebzeiten veröffentlicht worden wäre.
Aber Reich hätte das nicht geholfen. Deshalb mochte Hoppe das Buch auch nicht. Dass er mit ihr brach verstand Ilse nicht. Aber darum ging es eigentlich auch gar nicht. Orgonomie war ja kein Familienverband.
 
Das Tape ist aus rechtlichen Gründen geschnitten, doch Inhalte wurden nicht davon berührt.
Ich bin jetzt 66 Jahre alt und keiner weiß, was die Zeit bringt. Mein enger Freund, Ngari Tulku starb während ein Aneurysma in seinem Kopf aufbrach und er in Köln in eine Straßenbahn stürzte. Er war damals 63.
 
Deshalb ist die Zeit nicht zu früh. Zeitzeugnisse würden ansonsten nur vernichtet. Wir wissen eh zu wenig über Reich. Er wurde dokumentatorisch nicht gut betreut. Jerome Greenfield und Myron Sharaf machten da eine Ausnahme. Greenfield, der Gerichtsbeobachter, war sehr gut. Im besonderen Myron war kein Orgonom. Er kam von der Psychologie und ging orgonomisch auch nicht darüber hinaus. 

Peter verweigerte uns damals ein Interview. Menschen sind eben Menschen. Reich war ein Mensch mit dem ich mich bestimmt überworfen hätte. Also gut, dass ich nur seine Wissenschaft und Politik kannte.
 
Linke mochten Reich nicht. Die APO und Reich war da eine Ausnahme. Selbst Peter Schneider fühlte sich in den 70er Jahren noch genötigt in einem Buch gegen Reich zu polemisieren. Reich wollte eben nicht die politische Macht wie die Kommunisten. Selbstregulation ist der Gegner der Politik. In meiner APO Zeit wusste ich das nicht. Die sexuelle Revolution ist ganz anders als die kommunistische.
Zurück blieb das Gefühl, dass Reich noch viel zu politisch war. Im Gegensatz zur Politik will Arbeitsdemokratie nie Macht. Trotzdem: die Arbeitsdemokratie war Reichs Ding. Auch wenn Michael Gierlinger (Arzt damals in Berlin) in der damaligen Reich Zeitschrift Emotion (ich glaube Nr.6) analysierte, dass Reich, als er die Politik verlor, zwangsläufig nichts anderes hatte als die Arbeitsdemokratie.
 
Es mag so sein, aber auch der Orgonakkumulator, der erfunden wurde, war eigentlich als Kontrollbox, also im Gegensatz zur Orgonattraktion gedacht. Also genau das Gegenteil. Möglicherweise ging der Gang der Dinge so, wie Michael es beschreibt. Aber die Tiefe der Arbeitsdemokratie hat auch Michael nicht verstanden. Wer sie versteht liebt sie, es gibt nichts anderes. Wenn man die Politik eliminiert, kommt die Arbeitsdemokratie darunter hervor. Sie wurde vor Reich einfach nicht genügend beachtet und somit nicht richtig dargestellt.

Wie gesagt, Reich war zu viel in Machtfragen verstrickt, er wollte den Sprung nach vorn, so wie seine Figur, die auf seinem Schreibtisch stand.
 
Wenn man sich zu selbstbewusst fühlt, dann hat man die Neigung sich selbst vor Gericht zu verteidigen. Es gibt einen psychiatrischen Begriff dafür, Paranoidität mit Größenwahn. Besonders Mafiosi haben das getan und erlitten Schiffbruch, wie Lucky Luciano, der glaubte eine solche Ausstrahlung zu haben, dass ihm niemand widerstehen konnte.
Auch Reich hätte besser auf seine Rechtsanwälte gehört. Reich hätte noch nicht einmal Glück gebraucht um nicht ins Gefängnis zu müssen. Vielleicht wäre er dann wirklich mit seiner Freundin, Aurora Karrer (die er nicht im Gefängnis heiraten durfte) in die Schweiz gegangen, wie geplant. Vielleicht hätten wir dann noch eine Menge von ihm gehabt. So war das Gefängnis seine letzte Station aus Überheblichkeit. Reich hatte zwar Recht, aber er handelte nicht klug. Vielleicht wollte auch er nur eine letzte Schlacht schlagen. Wie schade!!!
 
Von einigen Irritierungen abgesehen, bin ich der Reich-Fan geblieben, der ich immer war. Reich war und er blieb mein Gott. Aber Gott kann auch sehr menschliche negative Züge haben. Es ist so wie es ist. Reich hat die Bione nicht erfunden, weil die politische Bewegung zusammenbrach, wie 68ger in ihrem Vorwort zu Reichs Frühschriften behaupteten. Er hatte vielleicht einige verrückte Züge, wie die Vorstellung von Eisenhauer der ihn beschützt weil er ein anständiger Mann war, wie Reich (wusste er nicht, dass Eisenhauer keine Neger mochte- ich glaub nicht). 

Tatsächlich glaubte der Psychiater Hubbard Reich würde das nur phantasieren, damit er nicht ins Gefängnis sollte, sondern in die Psychiatrie. 
Dann merkte er, der meint es ja wirklich ernst. Ob die beiden anderen Psychiater im Lewisburger Gefängnis die Anweisung bekamen, Reich als gesund zu diagnostizieren ist fraglich. Sie wussten das er Marotten hatte. Peter Mills, ehemals Anwalt von Reich, wollte ihn als Staatsanwalt (das war er inzwischen geworden) unbedingt verurteilen. Er hielt Reich für einen Idioten und wollte ihn vielleicht deshalb zu Fall bringen. Vielleicht schämte er sich so lange für ihn gearbeitet zu haben. Es ging ihm um ein Gewinnen um jeden Preis. Mills interviewten wir nicht.
 
Alles in allem: Reich polarisiert. Die einen glauben ab 1934 wäre er geistig erkrankt, sah überall Bione und Energie, die es nicht gibt. Die andere Seite glaubt, Reich war korrekt.
 
Auch meine Forschung bestätigte Reichs Ergebnisse. Ich glaube an Reich und konnte es gerade noch verhindert, dass Reich in Berlin ent-orgonisiert wurde, in der Orgon nur noch für Liebe ohne Physik interpretiert wird. Dazu bedürfte es einer Autorität, die eines Reich Institutes. Das sind wir, lieber Peter Schneider (68ger und heute Journalist), Reich geht weiter. Wir haben ja politisch ähnliche Sachen gemacht, doch die sind alle tot, genauso wie Parteiaufbauorganisationen, aber Reich lebt. 


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